“Spezialmodelle für Frauen”

Frau möchte es nicht glauben! Es geht in einem Klinikvergleich um künstliche Kniegelenke. Im Subtitel werden „Spezialmodelle für Frauen“ als Neuerung erwähnt, „Schließlich hätten Frauen eine andere (!) Anatomie als Männer, auch im Knie.“ Was stellen Sie sich unter einem >Spezialmodell< vor? Für mich ist ein >Spezialmodell< eine Problemlösung für seltene Fälle, für – in diesem Zusammenhang – die Patientinnen und Patienten, deren Erkrankungen von der Mehrheit der Erkrankungen oder den typischen Erkrankungen abweichen – eben Sonderfälle, bis hin zu Einzelfällen. Und was ist zu lesen? Weil Frauen im Schnitt älter werden als Männer, bekommen doppelt so viele Frauen wie Männer ein künstliches Kniegelenk. Ich zitiere: „Rund zwei Drittel der über 120.000 Kniegelenke, die jedes Jahr in Deutschland eingesetzt werden, gehen an Frauen.“ Ich würde da eher von >Spezialmodellen für Männer< reden! Selbst in so einem abwegigen Fall ist der Mann die Norm, sein Knie das Normalknie, die Frau die Abweichung, der Spezialfall, hier braucht gegen alle Logik die Mehrheit also das Spezialmodell. Die Anatomie der Frau ist eben „anders“! Falls Sie sich oder mich jetzt noch fragen sollten, was eine androzentrische Gesellschaft, eine androzentrische Forschung und androzentrische Medizin ist, dann hilft Ihnen sicher der Rest der Geschichte.

Jetzt kommt es richtig schlimm! „Auffällig war, dass sich Frauen deutlich häufiger unzufrieden mit ihren Implantaten zeigten als Männer.“ Die Erklärung: „Bis dato wurden alle Prothesen nach den Maßen von Männerknien gefertigt.“ – zitiert HONERT den Chirurgen KIENAPFEL und schreibt weiter unter Bezug auf den Chirurgen: „Diese (Männerknie – GP) wären im Schnitt jedoch breiter und dicker als die von Frauen. Folglich würden die herkömmlichen Modelle Frauen oft nur bedingt passen. Bei manchen Patientinnen scheuern die Gelenkbänder deshalb an den zu breiten Prothesen und verursachen Schmerzen.“

Und Frauen – zickig, wie sie nun mal sind – beschweren sich auch noch darüber, sie sind eben nie zufrieden zu stellen, auch wenn sich die Männer noch so mühen! Aber wir Frauen haben weiter Gelegenheit zu Schmerzen und Unzufriedenheit: „Bei AAP, Berlins größtem Implantatehersteller, plant man keine speziellen Kniegelenksprothesen für Frauen. „Wir glauben nicht, dass da eine zwingende Notwendigkeit besteht“, erklärte der Entwicklungsleiter des Unternehmens, Hans-Joachim FISCHER.“

Quelle: HONERT, Moritz, 2007: Scharnierwechsel. Im Alter hat sich das Kniegelenk oft abgenutzt. Wenn das Gehen zur Qual wird, kann eine Prothese die Lösung sein. Jetzt gibt es auch Spezialmodelle für Frauen. Aus der Reihe: Klinikvergleich von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin: 10. Folge Künstliches Kniegelenk. In: Der Tagespiegel vom 2007-07-03