Rosé gilt als typischer Frauenwein – Höchststrafe!

Mein Mann und ich sitzen friedlich im Wohnzimmer, wir wollen uns gerade einen Lese-abend gönnen. Desöfteren legt mir mein Mann eine Zeitungsseite, einen Artikel, eine Notiz hin mit der stummen Frage: Interessiert Dich das? So auch heute. Es ist ein Artikel aus dem Tagesspiegel vom 2007-08-05 zum Thema Rosé Wein. Ich lese: „Rosé gilt als typischer Frauenwein. In einer Branche, in der besonders muskulöse Weine mit der Miene des Connaisseurs gern als „maskulin“ gelobt werden, ist das schon fast die Höchststrafe. Es kommt aber noch schlimmer: Rosé ist häufig ein Abfallprodukt der Rotwein-Produktion. Da stellen sich schnell Assoziationen zur Mülldeponie ein.“ Danke Herr Manfred KRIENER! Sie sind wirklich ein liebenswerter Frauenkenner!
Macht es nicht Spaß, eine Frau zu sein? Da kommt Freude auf! In einem Land, in dem das Rassismusverbot von der Mehrheit der Menschen eingehalten wird, darf der –ebenfalls verbotene – Sexismus fröhlich daher kommen und gilt noch als witzig!? Ich fasse es nicht! >Man< braucht nur das Wort >Frau< davor zu setzen, und schon ist ein Wort müllreif. Gleichzeitig werden die begehrten Dinge immer männlicher – oder halten Sie >muskulös< für ein geeignetes Wort zur Beschreibung eines Weins? Hier werden ver-meintlich männliche Charakteristika auf für Selbstwert und soziale Reputation erstre-benswerte Dinge übertragen, sie werden männlich markiert, maskulinisiert, sie werden durch ihre Nähe zum Mann veredelt – ja, fast geadelt! Das stützt männliches Selbstbe-wusstsein und ist handlungsweisend für den Rest der Meute. Männliche Bescheidwisser reklamieren die Interpretationshegemonie entlang der Geschlechterlinie, die blinde >Liebe zum Gleichen< bekommt etwas Autistisches. Glauben Sie mir: Hier war selbst für mich die Ubiquität geschlechtsspezifischer Hierarchisierung frappierend.
Später bietet uns der Autor eine Sommerimpression: „Dann sieht man sogar ausgewachsene Männer, mit wenig mehr als einer Armbanduhr bekleidet, auf dem Balkon sitzen und gut gekühlten Rosé trinken.“ (KRIENER, 2007) Den Anblick muss ich nicht haben! Was ich auch so armselig finde: Männer schreiben doch so, weil sie damit unglaublich bei ihren Geschlechtsgenossen zu punkten meinen. Rechnen sie damit dass Frauen das nicht lesen oder dass Frauen das auch witzig finden? Bei mir hat der Autor auch saftig gepunk-tet – aber deutlich im Negatvibereich. Und dann erfahren wir von diesem Bescheidwisser noch: „Mit Rücksicht auf die jung-weibliche Klientel wird Rosé gern ein wenig lieblich ausgebaut, was sein Image nicht unbedingt verbessert.“ Warum trinken richtige Männer so ein Gesöff? Sollen sie doch beim Bier bleiben! Aber wenigstens wissen wir jetzt: Es geht ums Image! Das scheint diesem Mann wichtiger zu sein als der Wein selber! Ein wah-rer Connaisseur.
Ich wiederhole meinen Kommentar von 027.: Hier schreibt also wieder ein Mann für Männer auf Stammtischniveau! Der Autor biedert sich bei der vermeintlich ausschließlich männlichen Leserschaft an, er erwartet Zustimmung und brüllendes Gelächter in der Annahme, frauenfeindliche Anzüglichkeiten sind in Männerrunden immer ein Erfolg. Armes Würstchen!